


Die Sinterung von Grünkörpern wird mit den ThermoOptischen Messverfahren (TOM) am Fraunhofer-Zentrum HTL mit hoher Reproduzierbarkeit in-situ gemessen und anschließend optimiert. Das Ergebnis der Sinterung wird für viele Materialien stark von der Ofenatmosphäre beeinflusst. Für die meisten technisch relevanten Ofenatmosphären und Temperaturbereiche stehen am Fraunhofer-Zentrum HTL geeignete ThermoOptische Messanlagen (TOM) zur Verfügung. Auf diese Weise können Sinterungen in Graphit-, Molybdändisilizid- oder Wolfram-beheizten Messöfen durchgeführt werden. Als Ofenatmosphären können Inertgase, oxidische oder reduzierende Gase – auch 100% Wasserstoff – eingesetzt werden. Einige TOM-Anlagen können mit Vakuum oder Überdruck (bis 30 bar) betrieben werden. Auch die Ofenatmosphäre in gasbeheizten Öfen kann exakt nachgestellt werden. Der Abgleich der Ofenatmosphären zwischen dem Produktionsofen und der jeweils eingesetzten TOM-Anlage ist extrem wichtig, weil nur so die mittels TOM-Anlage optimierten Sinterbedingungen auf den Produktionsofen übertragen werden können. Zusätzlich wird in der Regel ein Temperaturabgleich der betroffenen Öfen mittels speziell kalibrierter Temperaturmessringe durchgeführt.
Durch das optische Messprinzip der TOM-Anlagen kann die Schwindung in Sinterprozessen mit sehr hoher Reproduzierbarkeit gemessen werden[1]. Die Messauflösung der TOM-Anlagen liegt in der jüngsten Anlagengeneration bei 0,1 µm. Die Reproduzierbarkeit beträgt 0,02% und ist damit deutlich besser als bei Vergleichsverfahren. Die hohe Genauigkeit wird auch dazu genutzt, den Verzug von Proben beim Sintern zu messen. So lassen sich Porositätsunterschiede in Grünkörpern durch Entnahme von Testproben und anschließende Sinterung genauer messen als mit herkömmlichen Messverfahren. In erster Linie wird jedoch die Sinterkinetik bestimmt, indem mehrere Sinterungen mit unterschiedlichen Temperatur-Zeit-Zyklen an den gleichen Grünproben durchgeführt werden. Aus den Messdaten wird mit einem robusten numerischen Verfahren ein Kinetik-Modell errechnet, das es erlaubt, die Sinterschwindung für beliebige Temperatur-Zeit-Zyklen, die im Rahmen des vermessenen Bereichs liegen, vorherzusagen[2]. Mit diesem Kinetik-Modell sind bereits einfache Optimierungen des Sinterzyklus möglich.
Für genauere Untersuchungen, z.B. zum Verzug durch Schwerkraft oder Temperaturgradienten, sind jedoch weitere In-situ-Messungen erforderlich. So wird das Kriechverhalten der Grünproben während der Sinterung mit zyklischen uniaxialen Belastungstests ermittelt. Aus den Messdaten werden die uniaxiale Viskosität und die viskose Poissonzahl als Funktion von Sinterzustand und Temperatur ermittelt. Die Temperaturleitfähigkeit kann mit den am Fraunhofer-Zentrum HTL vorhandenen TOM-Anlagen ebenfalls in situ während der Sinterung gemessen werden[3]. Hierzu werden speziell entwickelte Laser-Flash-Verfahren genutzt. Zusammen mit dem Kinetik-Modell werden diese Daten in ein gekoppeltes FE-Modell überführt. Damit werden für jeden Zeitschritt zunächst die Temperaturgradienten im Bauteil berechnet, die sich während der Sinterung von der Oberfläche ins Bauteilinnere ausbilden. Aus den lokalen Temperaturen werden in der FE-Simulation die lokalen Sinterschwindungen für den entsprechenden Zeitschritt ermittelt und daraus zusammen mit externen Kräften, z.B. durch Gravitation und Reibung, Spannungen und Verformungen berechnet. In den FE-Modellen werden auch die Wärmedehnungen der Materialien und - bei Bedarf – Wechselwirkungen mit der Ofenatmosphäre berücksichtigt. Auf diese Weise werden Messergebnisse an einfachen kleinen Proben auf große und komplexe Bauteile übertragen. Sinterbedingungen können dann durch die FE-Simulationen bereits so optimiert werden, dass Geometrieanforderungen für einzelne Bauteile optimal erfüllt und die Ausbildung kritischer Spannungen während der Wärmebehandlung vermieden werden.
Während der Verdichtung können thermodynamische Triebkräfte dafür sorgen, dass ein ursprünglich homogener Grünkörper lokal stärker sintert oder sich verschiedene Phasen entmischen. Am Ende der Verdichtung kommt es zu verstärktem Kornwachstum, das - ebenso wie die thermodynamischen Entmischungseffekte - die Materialeigenschaften beeinträchtigt. Am Fraunhofer-Zentrum HTL werden inhärent sichere Sintermethoden entwickelt, mit denen solche nachteiligen Mechanismen vermieden werden. Die Methoden zielen auf homogene Mikrostrukturen und hohe Zuverlässigkeit der gesinterten Werkstoffe ab.