Für genauere Untersuchungen, z.B. zum Verzug durch Schwerkraft oder Temperaturgradienten, sind weitere In-situ-Messungen erforderlich. So wird das Kriechverhalten der Grünproben während der Sinterung mit zyklischen uniaxialen Belastungstests ermittelt. Aus den Messdaten werden die uniaxiale Viskosität und die viskose Poissonzahl als Funktion von Sinterzustand und Temperatur ermittelt. Die Temperaturleitfähigkeit kann mit den am HTL vorhandenen TOM-Anlagen ebenfalls in situ während der Sinterung gemessen werden[3]. Hierzu werden speziell entwickelte Laser-Flash-Verfahren genutzt. Zusammen mit dem Kinetik-Modell werden diese Daten in ein gekoppeltes FE-Modell überführt. Damit werden für jeden Zeitschritt zunächst die Temperaturgradienten im Bauteil berechnet, die sich während der Sinterung von der Oberfläche ins Bauteilinnere ausbilden. Aus den lokalen Temperaturen werden in der FE-Simulation die lokalen Sinterschwindungen für den entsprechenden Zeitschritt ermittelt und daraus zusammen mit externen Kräften, z.B. durch Gravitation und Reibung, Spannungen und Verformungen berechnet. In den FE-Modellen werden auch die Wärmedehnungen der Materialien und - bei Bedarf - Wechselwirkungen mit der Ofenatmosphäre berücksichtigt. Auf diese Weise werden Messergebnisse an einfachen kleinen Proben auf große und komplexe Bauteile übertragen. Sinterbedingungen können dann durch die FE-Simulationen bereits so optimiert werden, dass Geometrieanforderungen für einzelne Bauteile optimal erfüllt und die Ausbildung kritischer Spannungen während der Wärmebehandlung vermieden werden.
Während der Verdichtung können thermodynamische Triebkräfte dafür sorgen, dass ein ursprünglich homogener Grünkörper lokal stärker sintert oder sich verschiedene Phasen entmischen. Am Ende der Verdichtung kommt es zu verstärktem Kornwachstum, das - ebenso wie die thermodynamischen Entmischungseffekte - die Materialeigenschaften beeinträchtigt. Am HTL werden inhärent sichere Sintermethoden entwickelt, mit denen solche nachteiligen Mechanismen vermieden werden. Die Methoden zielen auf homogene Mikrostrukturen und hohe Zuverlässigkeit der gesinterten Werkstoffe ab.
[3] Baber, J.; Klimera, A.; Raether, F.: In situ measurement of dimensional changes and temperature fields during sintering with a novel thermooptical measuring device, J. Eur. Ceramic Soc., 27, 2007, S. 701-705. (zum Abstract)