


Bei der Herstellung von Nichtoxid-Keramiken ist die Wärmebehandlung ein wichtiger Herstellschritt, der die Produktqualität entscheidend kontrolliert, aber auch zu den Herstellkosten beiträgt. Entsprechend sorgfältig müssen die Prozessparameter bei der Wärmebehandlung optimiert werden. Bei der Trocknung und Entbinderung müssen Verfahren identifiziert werden, die einerseits einen möglichst hohen Durchsatz ermöglichen, aber andererseits die Schadensfreiheit der Bauteile gewährleisten. Bei der Sinterung wird eine endformnahe Herstellung mit engen Fertigungstoleranzen und guten Materialeigenschaften angestrebt. Dabei sollen der Durchsatz durch den Sinterofen maximiert und dessen Energie- und Wartungskosten minimiert werden.
Die Optimierung der Wärmebehandlung kann am Fraunhofer-Zentrum HTL für alle Arten von Nichtoxid-Keramiken durchgeführt werden. Dazu zählen SiC-, AlN- und Si3N4-Keramiken, ebenso wie Hartmetalle und Cermets. Die am Fraunhofer-Zentrum HTL eingesetzten Methoden eignen sich für Bauteile im Millimeter-Maßstab, sowie für große Bauteile mit charakteristischen Längen im Meterbereich. Für die Erfassung der notwendigen In-situ-Messdaten stehen ThermoOptische Messanlagen (TOM) mit sehr unterschiedlichen Atmosphären zur Verfügung. Sinterungen können in Graphit-, Molybdändisilizid- oder Wolfram-beheizten Messöfen durchgeführt werden. Als Ofenatmosphären können Inertgase, oxidische oder reduzierende Gase, auch 100% Wasserstoff, eingesetzt werden. Einige TOM-Anlagen können mit Vakuum oder Überdruck (bis 30 bar) betrieben werden. Je nach Atmosphäre werden Maximaltemperaturen zwischen 1500°C und 2200°C erreicht. Alle für die Optimierung der Wärmebehandlung von Nichtoxid-Keramiken erforderlichen Materialeigenschaften können in-situ gemessen werden. Die In-situ-Messungen erfolgen an kleinen Proben mit einem Volumen von ca. 1 cm³ bis 30 cm³. Die Hochskalierung auf den Bauteilmaßstab erfolgt mit Finite-Elemente (FE)-Verfahren. Für alle wesentlichen Wärmebehandlungsschritte an Nichtoxid-Keramiken stehen entsprechende FE-Modelle zur Verfügung. Mittels FE-Simulation werden die Prozessparameter optimiert und experimentell verifiziert. Im letzten Schritt werden die optimierten Prozessparameter dann auf den Produktionsofen übertragen.
Bei der Trocknung muss das in den Grünteilen noch enthaltene Lösungsmittel entfernt werden, ohne dass es zu Schäden an den Bauteilen kommt. Bei Nichtoxid-Keramiken können aufgrund der kleinen Poren erhebliche Trocknungsspannungen auftreten. Zu schnelle oder ungleichmäßige Trocknung führt zu Rissen oder Verzug. Dabei sind die lokalen Trocknungsraten stark von der relativen Feuchte, der Temperatur und der Strömungsgeschwindigkeit des Trocknungsgases abhängig. Das Fraunhofer-Zentrum HTL verfügt über eine Vorrichtung, mit der Proben unter kontrollierter Lösungsmittelfeuchte, Temperatur und Gasströmung während der Trocknung gewogen werden können. Auf diese Weise kann die Trocknungsrate während der verschiedenen Trocknungsstadien ermittelt werden. In den kritischen Stadien kann die Trocknungsrate gezielt abgesenkt werden. Rissbildungen werden mittels Schallemissionsanalyse detektiert. Der Verzug der Bauteile durch ungleichmäßige Trocknung wird in FE-Modellen simuliert, bei denen die Gasströmung und der lokale Feuchtegradient berücksichtigt werden. Bei der Optimierung werden Feuchte- und Strömungsmessungen in den industriellen Trocknungsaggregaten berücksichtigt.
Bei der Entbinderung werden die in den keramischen Grünproben enthaltenen, organischen Formgebungsadditive wie Binder, Plastifizierer oder Dispergiermittel, in der Regel thermisch, entfernt. Die organischen Additive werden dabei pyrolysiert oder in sauerstoffhaltiger Atmosphäre ausgebrannt. Die Verwendung von Sauerstoff ist allerdings nur sehr begrenzt möglich, weil sonst eine Oxidation der Nichtoxid-Keramiken bzw. eine Schädigung des Sinterofens eintritt. Bei der Pyrolyse wird lokal Wärme verbraucht. Die entstehenden Temperaturunterschiede bewirken thermische Spannungen, die wiederum zu Rissen oder zur Zerstörung der Grünteile führen können. Bei zu schneller Entbinderung können die entstehenden Gase nicht rasch genug aus den Porenkanälen an die Bauteiloberfläche transportiert werden. Der entstehende Überdruck in den Porenkanälen führt ebenfalls zu Bauteilschäden. Daneben gibt es noch weitere unerwünschte Phänomene, die bei der Entbinderung auftreten können, z.B. die Absorption von Schwelgasen durch kältere Grünteile in kontinuierlichen Öfen oder die Segregation des flüssigen Binders in den Porenkanälen. Außerdem gilt es dafür zu sorgen, dass der bei der Pyrolyse unter Umständen gebildete Kohlenstoff nicht unerwünschte Auswirkungen auf den Sinterverlauf bzw. die Produkteigenschaften hat. Ähnlich wie bei der Trocknung gilt es, das schnellste, noch sichere Temperaturprofil zu finden, mit dem die Entbinderung fehlerfrei durchgeführt werden kann. Strömungsgeschwindigkeit und Zusammensetzung der Ofengase können dabei in vielen Fällen variiert werden.
Analog zur Trocknung werden Entbinderungsexperimente am Fraunhofer-Zentrum HTL bei kontrollierter Atmosphäre und Temperatur durchgeführt. Der Entbinderungsgrad wird durch Messung der Probenmasse und Rissbildungen werden durch Schallemissionsanalyse detektiert. Die Optimierung der Entbinderungsparameter erfolgt analog zur Trocknung mittels FE-Simulation, die Verifizierung der optimierten Bedingungen durch zusätzliche Entbinderungsexperimente.