Die Entwicklung von Keramikfasern stellt eines der Schwerpunktthemen am Fraunhofer-Zentrum HTL dar. Dabei wird die komplette Prozesskette bei der Keramikfaserherstellung abgedeckt. Die Faserentwicklung beginnt im Labormaßstab auf hochflexiblen Anlagen und kann bis zum Pilotmaßstab hochskaliert werden. Anschließend erfolgt typischerweise der Übertrag zum Kunden. Dabei kann das Fraunhofer-Zentrum HTL auch bei der Auslegung der beim Kunden benötigten Anlagen unterstützend tätig werden und das Einfahren der Prozesse mitbetreuen. Oxidische Verstärkungsfasern bestehen aus Aluminiumoxid oder Mullit. Aber auch Fasern aus Zirkoniumoxid oder Yttrium-Aluminium-Granat können kundenspezifisch entwickelt werden. Nichtoxidische Verstärkungsfasern werden aus Siliziumcarbid (SiC) bzw. SiBN3C hergestellt. Darüber hinaus liegen auch Erfahrungen mit der Entwicklung von Funktionsfasern vor (Blei-Zirkonat-Titanat). Die Faserdurchmesser liegen zwischen 10 und 100 µm.
Als Precursoren werden metallorganische Polymere oder Sol-Gel-Systeme eingesetzt, welche eine große stoffliche Vielfalt an oxidischen und nicht-oxidischen Keramikfasern ermöglichen. Die Spinnmassen werden gezielt für das eingesetzte Spinnverfahren angepasst. Vor allem die rheologischen Eigenschaften sind dabei von großer Bedeutung.
Spinnverfahren
Die Keramikfasern werden vor allem über das Schmelz-Spinnverfahren (feste Sol-Gel-Vorstufen und präkeramische Polymere) und Lösungs-Spinnverfahren / Trocken-Spinnverfahren (präkeramische Polymerlösungen und flüssige Sol-Gel-Vorstufen) ersponnen (Publikation: Fabrication and Upscaling of Spinning Processes). Alle Spinnverfahren werden als Endlos-Spinnverfahren von Rovings mit 1 – 1000 Filamenten durchgeführt. Es stehen auch Monofilament-Spinnanlagen für Hohlfasern und Zweikomponenten-Fasern und für dicke Endlosfasern mit Durchmessern > 100 µm zur Verfügung (Publikation: Fabrication of Large Diameter SiC Monofilaments). Alle Spinnverfahren können an Luft oder auch unter Inertgas durchgeführt werden. Die Bedingungen im Spinnschacht, wie die Atmosphäre, Temperatur und Gasströmung, sind an die spezifischen Anforderungen der Spinnmasse anpassbar.
Nach dem Spinnprozess erfolgen die Pyrolyse und Sinterung der gesponnenen Fasern, wodurch die Transformation zur Keramikfaser stattfindet. Pyrolyse und Sinterung können kontinuierlich bis zu Temperaturen von 1800 °C an Luft und 2000 °C unter Inert-Bedingungen durchgeführt werden.
Die Faserherstellung wird mit umfangreichen Möglichkeiten zur Faserprüfung begleitet, wobei die Prüfung von Fasern auch als Dienstleistung, zertifiziert nach verschiedenen DIN EN Normen angeboten wird.
Faserbeschichtung
Neben der Keramikfaser werden auch Faserbeschichtungen entwickelt. Aufgabe der Beschichtung ist es, ein Faser-Matrix-Interface einzustellen, welches ein schadenstolerantes Verhalten von keramischen Verbundwerkstoffen ermöglicht. Eine weitere Aufgabe besteht im Schutz der Keramikfaser vor korrosivem Angriff. Beim Applizieren der Faserbeschichtung wird vorwiegend eine - vergleichsweise kostengünstige - nasschemische Route verfolgt. Dabei werden derzeit Prozessgeschwindigkeiten von bis zu 1000 m/h erreicht. Es bestehen Erfahrungen im Auftragen von nichtoxidischen und oxidischen Stoffsystemen. Auch Mehrschichtsysteme aus unterschiedlichen Keramiken können nasschemisch hergestellt werden. Typische Faserbeschichtungen bestehen aus Siliziumcarbid, Siliziumnitrid, Bornitrid, Zirkoniumoxid oder Spinell.
Das HTL entwickelt für seine Kunden neuartige Beschichtungsvorstufen und optimiert bestehende Systeme. Beim Applizieren der Schichten werden Prozessparameter identifiziert, welche eine gleichmäßige Faserbeschichtung mit der gewünschten Schichtdicke ermöglichen. Darüber hinaus bestehen vielfältige Möglichkeiten zur Charakterisierung der Faserbeschichtungen. Die Weiterverarbeitung der Fasern erfolgt in der Regel mit textilen Verfahren.