Cluster-Forum "Faserverbundwerkstoffe" in Bayreuth

Rückblick

Der Cluster Neue Werkstoffe der Bayern Innovativ GmbH lud am 17. Juli 2019 in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL zum Cluster-Forum "Werkstoffe der Zukunft – Faserverbundwerkstoffe" nach Bayreuth, zum Sitz des Zentrums, ein. Die Veranstaltung richtete sich an Experten aus der Verbundwerkstoffbranche und den zugehörigen Anwenderindustrien und bot die Möglichkeit zum fachlichen Austausch mit Experten sowie zur Diskussion möglicher Projekte und Kooperationen.

Der folgende Beitrag ist eine Veröffentlichung der Bayern Innovativ GmbH.

Einleitung

Wo extreme Anforderungen an die Werkstoffeigenschaften gestellt werden und maßgeschneiderte Lösungen gefragt sind, kommen Faserverbundwerkstoffe zum Einsatz und werden daher in den unterschiedlichsten Anwenderindustrien eingesetzt. Faserverbundwerkstoffe zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit und Steifigkeit und oft auch durch eine hervorragende Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit bei gleichzeitiger niedriger Dichte aus. Damit haben sie ein hohes Potenzial für den Einsatz als Leichtbau-Werkstoff. Einige Faserverbundwerkstoffe können auch eine extreme Umgebung wie hohe Temperaturen und Chemikalien tolerieren.

Prof. Dr. Friedrich Raether, Leiter des Fraunhofer-Zentrums für Hochtemperatur-Leichtbau HTL, sowie Dr. Nicole de Boer, Leiterin des Clusters Neue Werkstoffe, und Astrid Lang, Projektmanagerin Technologie/Werkstoffe bei Bayern Innovativ, konnten bei der thematischen Einführung über 50 Teilnehmer zum Forum "Faserverbundwerkstoffe" begrüßen. In den darauffolgenden Vorträgen wurden Potenziale der unterschiedlichen Faserverbundwerkstoffe herausgearbeitet, Zukunftstechnologien dargestellt, technologische Herausforderungen erläutert sowie praktische Anwendungen aufgezeigt und Nachhaltigkeitsaspekte beleuchtet.

Strategien für Nachhaltigkeit 

Thorsten Pitschke (bifa Umweltinstitut GmbH) referierte über Herausforderungen beim Recycling von Verbundmaterialien. Produkte aus Faserverbundmaterialien versprechen hervorragende Eigenschaften und optimale Performance im Einsatz. Dagegen stellt sich die Situation bei der Entsorgung derartiger Produkte nach Gebrauch heute noch vergleichsweise nüchtern dar. Anhand von Verbunden aus Carbon-, Glas- und Naturfaser wurde die intrinsische Motivation für ein hochwertiges Recycling sowie die aktuelle Entsorgungssituation im Überblick dargestellt. Auf dieser Basis wurden anschließend die aktuell bestehenden Hürden und Hemmnisse beim Recycling charakterisiert.

Dr. Henning Schliephake von der NoWASTE Georgsmarienhütte GmbH stellte die Frage: "Können CFK-Abfällen als Primärkohleersatz im Elektrolichtbogenofen bei der Stahlerzeugung eingesetzt werden?". Jedes Jahr werden ca. 1,5 Mrd. Tonnen Stahl produziert und letztlich in den unterschiedlichsten Produkten eingesetzt und in den Gebrauch gebracht. Nach Ende des Gebrauchszyklus steht der Stahl als Sekundärrohstoff Schrott zur Erzeugung von neuem Stahl zur Verfügung. Heute wird etwa ein Drittel der weltweiten Stahlerzeugung in Elektrolichtbogenöfen durch das Einschmelzen von Schrott erzeugt. Die Werkstoffentwicklung erlaubt es, dass heute die gleiche oder eine bessere Stahlqualität erzeugt wird als jene, aus der der Schrott besteht. Beim Recyclingprozess von Schrott zu neuem, besserem Stahl werden Primärrohstoffe wie Kohle eingesetzt. Im Rahmen der NoWASTE Initiative der Georgsmarienhütte GmbH stellte sich die Frage, welche Kohlenstoffträger aus anderen Stoffkreisläufen als Ersatz für Kohle genutzt werden können. Erste Versuche mit CFK-Material,  die im kleinen Elektrolichtbogen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin durchgeführt wurden, zeigten erste positive Ergebnisse. Das Netzwerk Carbon Composite e. V. hat diese Versuche finanziell gefördert.

Mit Recycling und Wiedereinsatz von Faserverbundstrukturen befasste sich Marcel Hofmann vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e. V.(STFI). Durch die steigenden Verwendungsmengen an Carbonfasern in diversen Bereichen steigen auch die anfallenden Abfallmengen in jedem Verarbeitungsschritt. Das Recycling von Carbonfaserfabfällen aus verschiedenen Verarbeitungsschritten sowie die Wiederverwendung der rezyklierten Fasern mittels unterschiedlicher textiler Verarbeitungsmöglichkeiten war und ist Teil vielfältiger Projektarbeiten seit mehr als 15 Jahren innerhalb des STFI. Es wurden dabei umfangreiche Untersuchungen zu den Fragestellungen der Sammlung/Logistik der unterschiedlichen Abfälle, der Aufbereitung textiler Abfälle, der Herstellung textiler Halbzeuge mit verschiedenen Möglichkeiten der Vliesbildung und -Verfestigung auf Basis der zurückgewonnen Fasern sowie der potenziellen Wiedereinsatzgebiete in verschiedenen Branchen durchgeführt. Im Vortrag wurden erarbeitete Möglichkeiten der Rückführung von Carbonfaserabfällen in die Wertschöpfungskette sowie potenzieller Anwendungsmöglichkeiten ausführlich vorgestellt.

Werkstoffe und Zukunftstechnologien

Zu Beginn referierte Prof. Dr. Friedrich Raether über Ceramic Matrix Composites (CMC) als innovative Materialien für Hochtemperaturanwendungen und gab eine allgemeine Einführung in Aufbau und Eigenschaften der CMCs. Dabei wurden die verschiedenen Herstellverfahren ausführlich mit dem Schwerpunkt nicht-oxidische CMCs erklärt. Weiterer Schwerpunkt waren neuere Arbeiten zum Design und zur Prüfung von CMCs sowie ein abschließender Ausblick auf künftige Forschungsthemen.

Im Anschluss behandelte Dr. Rolf Terjung (Graphite Materials) das Gebiet der CFC-Bauteile in Hochtemperaturanwendungen. Anwendungen von Bauteilen aus Kohlenstofffaserverstärktem Kohlenstoff (CFC) implizieren Temperaturen von 1000 - 2500 °C in Vakuum oder sauerstofffreien Inertgas-Atmosphären. Der Werkstoff CFC zeichnet sich durch Materialeigenschaften aus, die ihn für diesen Temperaturbereich besonders auszeichnen. Werkstoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften werden industrietauglich durch Bauteile, wenn sie im Produktionsmaßstab als Halbzeug verfügbar sind. Auf dem Weg "von der Idee zum Bauteil" sind die Werkstofftechnik, Konstruktion und Fertigung aufeinander abzustimmen. Der Vortrag zeigte für verschiedene Anwendungen, wie der Werkstoff über das Halbzeug-Material die beschriebenen besonderen Eigenschaften in einem CFC-Bauteil einbringt.

Warum Holz als innovativer Faserwerkstoff der Zukunft angesehen werden müsste, zeigte eindringlich Yves Mattern (Lignoa Leichtbau GmbH). Die Lignoa Leichtbau hat die leichtesten Rohre der Welt aus Holz mit perfekter Faserorientierung, frei geformten Strukturen und variablen Wandstärken innerhalb eines Profils entwickelt und hergestellt. Dabei haben diese Rohre eine gleichwertige Qualität wie CFK-Rohre.

Prof. Guntram Wagner (TU Chemnitz, IWW – Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik) widmete sich in seinem Vortrag der Wirkung verschiedener Verstärkungsstrukturen in MMCs. Metallmatrix-Verbundwerkstoffe (MMCs) können über die Wahl der metallischen Matrix sowie die Form und Art der Verstärkung in einzigartiger Weise in ihren mechanischen, technologischen oder physikalischen Eigenschaften auf die jeweilige Anforderung maßgeschneidert werden. Die Verstärkungsformen, wie Whisker, Fasern oder Partikel in mikro- oder nanoskaliger Dimension entfalten in Abhängigkeit des Materials eine unterschiedliche Wirkung innerhalb eines metallischen Werkstoffs, die zur gezielten Beeinflussung mehrerer oder bestimmter Eigenschaften ausgenutzt werden kann. Verschiedenen Verstärkungsstrukturen in MMCs und deren Wirkungsmechanismen wurden erläutert, wobei ein besonderer Fokus auf partikelverstärkte Aluminiummatrix-Verbundwerkstoffe (AMC) gelegt wurde.

Abschließend zum zweiten thematischen Schwerpunkt des Forums sprach Prof. Klemens Rother (Hochschule für Angewandte Wissenschaft München, Fakultät für Maschinenbau, Fahrzeug- und Flugzeugtechnik) über innovative Methoden zur Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Faserverbundstrukturen. Neue Konzepte für die Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Faserverbundstrukturen, die von einem internationalen Konsortium aus Forschern und Industriepartnern unter der Federführung von Prof. em. Stephen Tsai von der Standford University/US entwickelt und erprobt wurden, wurden dabei vorgestellt. Mit diesen Methoden können durch eine neue Laminatarchitektur sowohl die Dimensionierung effizienter als auch die konstruktive Ausführung fester, leichter und kostengünstiger ermittelt werden. Es wurden konstruktive Lösungen für sehr performante Panelstrukturen und deren Fertigungstechnik vorgestellt für die deutlich weniger Verschnitt als bei traditioneller Bauweise entsteht.

Industrielle Impulse und Anwendungen

Zum Beginn des letzten thematischen Schwerpunkts des Forums betrachteten Prof. Hubert Jäger (TU Dresden, Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, Vorsitzender des CCeV-Vorstands, Carbon Composites e.V.) zusammen mit Dr. Bertram Kopperger (MTU Aero Engines AG) in ihren Vortrag die Nutzung von High-End-Ceramics Composites in der Luft- und Raumfahrt. Mit zunehmender Weltbevölkerung auf über 9 Mrd. im Jahr 2050 und internationalen Industrienetzwerken wird auch eine steigende Mobilität erwartet. Steigerungsraten an Passagierzahlen von 4 – 6 % pro Jahr werden zu einer Verdopplung der Luftfahrt-Flotten führen und ein neuer Bedarf von über 1000 neuen Flugplätzen wird entstehen. Ohne wesentliche Reduzierung damit einhergehender Emissionen im Flugbetrieb wie CO2, NOx und der Lärmbelastung wird keine Akzeptanz geschaffen werden können. Damit ist das Feld neuer Materialien und weiterentwickelter Systeme vorbestimmt, was sowohl den Antrieb (Turbine) als auch die Flugzeugstruktur betrifft. Im Hochtemperatur-Bereich der Turbine werden Effizienzsteigerungen mittels neuer Hochleistungs-Keramiken aus Siliziumkarbid und auch Oxidkeramiken im Mittelpunkt der Wirkungsgrad-Verbesserung stehen. Bei der Flugzeugstruktur werden alle Kombinationen von Leichtbauwerkstoffen auch mit Carbonfasern das Rennen machen.

Florian Funk (LAMILUX Composites GmbH) präsentierte Sandwichbodenmaterialien als Holzersatz. In Nutzfahrzeugen und Wohnmobilen werden vorwiegend Holzböden eingesetzt, wobei sich hier Sandwichkonstruktionen als Alternative anbieten. Diese bestehen in der Regel aus mindestens drei Lagen: zwei Decklagen aus faserverstärkten Kunststoffen und einem Kern geringer Dichte und ausreichender Festigkeit. Die Lebensdauer kann beispielsweise durch die Vermeidung von Feuchteschäden erhöht werden. Kraftstoff kann durch signifikante Gewichtseinsparungen reduziert werden.  Die Integration nutzbringender Funktionen in das Sandwichelement ist oft ein weiterer, marktrelevanter Aspekt.

Eine kostengünstige Lösung für ästhetische Verbundteile für den Bereich Automobil und Transport wurde anhand von StyLight von Pierre Juan (INEOS Styrolution Group GmbH) vorgestellt. StyLight – ein thermoplastischer Verbundwerkstoff auf SAN-Basis (Styrol-Acrylnitril-Copolymer) ermöglicht die Herstellung ästhetischer Kohlenstoffanwendungen im industriellen Maßstab. StyLight wird in Plattenform geliefert und kann thermogeformt und anschließend mit glasfaserverstärkten ABS-Typen hinterspritzt werden, was kürzere Zykluszeiten und eine Funktionsintegration begünstigt. Die sehr gute Oberflächenqualität der StyLight Teile nach dem Entformen ermöglicht es, Defekte zu vermeiden. Eine einschichtige Lackierung kann ebenfalls vorgenommen werden. Die Kratzfestigkeit und UV-Beständigkeit kann gemäß den Anforderungen des Automobils erhöht werden. ARRK Shaper validierten StyLight an einer Mittelkonsolenkomponente. Im Vergleich zu den Kosten der duroplastischen Kohlenstoff-Lösung mit der thermoplastischen Kohlenstoff-Verbundlösung StyLight zeigten die Zahlen von ARRK Shapers eine Kostenreduzierung von bis zu 50 % bei größeren Produktionsmengen. Darüber hinaus wurde die Mittelkonsole kürzlich vollständig gemäß der Innenraumspezifikation von Renault für eine Innenverkleidungsanwendung validiert.

Die Bauteilauslegung und -gestaltung bei Ox/Ox Faserverbundkeramik stand im letzten Expertenvortrag des Forums zur Diskussion. Diesen hielt Dr. Mathias Kunz (WPX Faserkeramik GmbH). Die Ox/Ox-Faserverbundkeramik bietet im Temperaturbereich 800 – 1300 °C einzigartige Werkstoffeigenschaften, indem sie die Hochtemperatur- und Korrosionsbeständigkeit von oxidkeramischen Werkstoffen mit der Elastizität und Schockbeständigkeit von Metallen verbindet. Diese Vorteile werden in einer Vielzahl von Anwendungen umgesetzt, beispielsweise in Gasturbinenbauteilen, Brennerdüsen, Chargiergestellen für die Wärmebehandlung von Stählen, Komponenten für Induktionserwärmung, Rohrarmierungen etc..Aufgrund des hohen Preises der verwendeten Hochleistungs-Keramikfasern ist die Anwendung nur wirtschaftlich sinnvoll, wenn bei der Bauteilauslegung, -gestaltung und -fertigung der Fasereinsatz optimal ausgenutzt wird. Im Vortrag wurden typische Anwendungsbeispiele vorgestellt, aus denen die Spezifika der Faserkeramik hinsichtlich Auslegung, Gestaltung und Fertigung hervorgingen.

Das gelungene Cluster-Forum wurde durch eine Führung durch den Laborbereich des Fraunhofer-Zentrums HTL abgerundet. Dieser Abschluss bot beste Möglichkeiten für gezielte Kontaktaufnahmen und Gespräche. Highlight war die Besichtigung des Neubaus der europaweit einzigartigen Faserpilotanlage, womit hier oxidische und nichtoxidische Keramikfasern im Maßstab einiger Tonnen jährlich hergestellt werden können – eine Investition von EUR 20 Mio., davon EUR 11 Mio. für die zwei Fertigungslinien, mit einer Nutzfläche von 2000 m².

Weitere Informationen: www.bayern-innovativ.de